Herr
Dr. König, Sie betreuen zusammen mit Nicolas Zarak, Leiter Qualitätsmanagement,
das große Thema Nachhaltigkeit in der CHIRON Group. Ihr Kollege hat als Motto
bei LinkedIn ein chinesisches Sprichwort: »Die beste Zeit, einen Baum zu
pflanzen, war vor 20 Jahren. Die zweitbeste Zeit ist heute.« Stellt sich direkt
die Frage: Wie bewerten Sie das bisherige Engagement von CHIRON und der CHIRON
Group?
Nun,
wir feiern in diesem Jahr 100 Jahre CHIRON. Das belegt eindrucksvoll, dass wir schon
viel länger als nur die letzten 20 Jahre unser Handeln mit Blick weit in die
Zukunft ausrichten. »Sustainable« waren wir, wenn man so will, schon immer. Das
werden wir in der CHIRON Group fortführen. Heute und in Zukunft geht es uns darum,
wirtschaftliche und gesellschaftliche Interessen so zu gestalten, dass die
dritte Nachhaltigkeitsdimension Ökologie gleichwertig in unserer
Unternehmensstrategie umgesetzt wird. Wir sind uns unserer Verantwortung bewusst,
daher forcieren wir als Unternehmen mehrere Projekte zur Reduzierung unseres CO2-Aufwands.
Stichwort
Verantwortung: Wahrnehmen ist das eine, dokumentieren das andere. Wie weist die
CHIRON Group ihr Engagement in Umweltfragen nach?
Unsere Standorte Neuhausen und Tuttlingen werden
jedes Jahr neu zertifiziert, das Umweltmanagement gemäß DIN EN ISO 14001:2015,
unser Energiemanagement nach DIN ISO 50001:2018. Für 2022 planen wir die
Selbstzertifizierung unserer Produkte im Hinblick auf ihren CO2-Fußabdruck,
nach der Vorgabe Treibhausgas-Bilanz DIN EN ISO 14064. So sehen wir, wo wir
stehen und wo es Handlungsbedarf gibt. Zudem sind wir Partner der VDMA Nachhaltigkeitsinitiative
Blue Competence. Damit verpflichten wir uns zu den 12 Nachhaltigkeitsleitsätzen
des Maschinen- und Anlagenbaus, die auch unser Engagement auf den Punkt
bringen: Mit Technik die Welt gestalten – auch übermorgen, mit weniger
Ressourcen mehr erreichen, Verantwortung übernehmen, Vorbild sein.
Blue Competence
steht für Innovations- und Technologieführerschaft von nachhaltigen Lösungen im
Maschinen- und Anlagenbau. Mit der Marke Blue Competence bekennen sich die
Partnerunternehmen öffentlich zu den zwölf Nachhaltigkeitsleitsätzen des
Maschinen- und Anlagenbaus, die auf den entsprechenden Sustainable Development
Goals der Vereinten Nationen basieren.
/assets/downloads/2019_bc-kurz_vorgestellt_d.pdfDie Partner sind eine Wertegemeinschaft,
deren unternehmerisches Handeln von einem verantwortungsvollen Umgang mit
natürlichen Ressourcen und gesellschaftlicher Verantwortung geprägt ist. Dies
bringen sie durch nachhaltige Produkte, Produktions- und Managementprozesse zum
Ausdruck.
Mehr im
Überblick hier oder unter www.bluecompetence.net
Der
Bau von Bearbeitungszentren ist energieintensiv, der Großteil des
Energiebedarfs in der CHIRON Group Precision Factory ist Strom. Woher beziehen
Sie den und was unternehmen Sie in Richtung CO2-Neutralität?
Richtig, genau sind es 75 Prozent. Aber ohne die
baulichen Besonderheiten wären es mehr: Dank Betonkernaktivierung halten wir
die Temperatur im Gebäude in engen Toleranzen und schaffen hier, mit sehr
niedrigem Energieeinsatz, die Voraussetzung für eine exakte Montage. Zudem
nutzen wir die Maschinenabwärme, setzen
Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung ein. Tatsächlich werden wir in
der Precision Factory unsere Emissionen schon im nächsten Jahr auf null
stellen, also CO2-neutral sein. Wir kaufen dann nur noch Ökostrom
zu, 30 Prozent unseres Bedarfs erzeugen wir ab Mitte 2022 mit
einer Solaranlage auf dem Dach selbst. Klimafreundlichere Heizenergie für
Tuttlingen und Neuhausen ist ein weiteres Thema, hier laufen aktuell die
Ausschreibungen.
»Wir arbeiten intensiv daran, uns stetig weiter zu verbessern. Als unabhängiges Unternehmen haben wir hierzu die nötige Gestaltungsfreiheit, können langfristig planen, unsere Strategie sauber entwickeln und konsequent umsetzen.«
Dr. Jens König
Leiter Mechatronik
CO2-Neutralität
klingt gut, mindert aber nicht den Verbrauch. Wie wollen Sie Einsparungen
realisieren?
Das
haben wir bereits, durch Konzentration unserer Fertigung in der CHIRON Group
Precision Factory und der Applikation in Tuttlingen. Damit reduzieren wir
Transport sowie Lagerhaltung und sind reaktionsschneller – mit weniger Aufwand,
auch energetisch. Aber für signifikante Einsparungen über die Precision Factory
hinaus braucht es natürlich mehr. Daher wurde das Projekt »Sustainability at
CHIRON Group« ins Leben gerufen. Hier beschäftigen wir uns mit den Fragen: Wo
stehen wir? Wo gibt es den größten Handlungsbedarf? Wo liegt Potenzial? Als
ersten Schritt haben wir im vierten Quartal 2021 in Zusammenarbeit mit Bosch
Climate Solutions eine Klimastrategie
für die CHIRON Group ausgearbeitet. Anschließend gilt es, die hier offen
gelegten Potenziale zu nutzen und die Ergebnisse in die Tat umzusetzen.
Wichtige
und richtige Fragen – wie lauten die Antworten?
Wir stehen, das können wir sagen, schon sehr gut da. Ein Beispiel: Mehrere
Studien haben gezeigt, dass Werkzeugmaschinen während ihrer Nutzungsphase den
höchsten Energieverbrauch aufweisen. Unsere Bearbeitungszentren und
Fertigungslösungen sind daher alle mit aktuellster Technik ausgestattet und so
ausgelegt, dass unsere Kunden langfristig effizient und mit besten Ergebnissen
fertigen können. Von unseren Kunden bekommen wir hier positives Feedback, für
sie sind unsere Bearbeitungszentren klar eine Investition in Nachhaltigkeit. Zu
den anderen Fragen: Wir analysieren laufend unsere bereits realisierten
Maßnahmen, erheben Verbräuche und identifizieren die Bereiche, in denen Handlungsbedarf
besteht. Diese Transparenz ist wichtig, nur dann können wir priorisieren, klare
Ziele formulieren und diese im geplanten Zeitrahmen umsetzen.
Die
CHIRON Group ist einerseits Kunde, andererseits Lieferant. Welche Rolle nehmen
Sie hier im Hinblick auf mehr Nachhaltigkeit ein?
Wir stehen in ständigem Kontakt mit unseren
Kunden, die wiederum vielfach OEM als Kunden haben, deren Nachhaltigkeitsziele
erfüllen und das auch bei ihren Partnern sicherstellen müssen – wie wir bei
unseren. Vor diesem Hintergrund sehen wir uns als Multiplikator. Wir lernen von
den einen, nehmen als Mitglied der Lieferkette auch an Schulungen bei OEM teil
und geben dieses Wissen weiter. Wir sind vor allem mit unseren großen
Lieferanten im Dialog, damit Vorgaben oder Richtlinien auch hier ankommen und
entsprechend umgesetzt werden.
»Es geht darum, unseren ökologischen Fußabdruck in allen Bereichen zu reduzieren – bei unseren Produkten, im Unternehmen und in der vor- und nachgelagerten Wertschöpfungskette.«
Nicolas Zarak
Leiter Qualitätsmanagement
Sie
haben über Nachhaltigkeit bei den Produkten gesprochen. Zu »Sustainability at
CHIRON Group« gehören aber auch die Fertigung in der Taicang Innovation Factory
und die weltweiten Niederlassungen. Wie ist hier der Stand?
Natürlich
beziehen wir die gesamte Fertigung und auch unsere Niederlassungen in das
Projekt ein. Zuerst werten wir die Erkenntnisse hier aus, schärfen nach, leiten
weitere Maßnahmen ein und rollen diese sukzessive weltweit aus. Die Taicang
Innovation Factory entspricht den neuesten internationalen Standards, auch beim
Thema Umweltschutz. Weltweit gibt es schon heute viele Maßnahmen, die unsere
Nachhaltigkeitsbilanz positiv beeinflussen. Fenstersanierung,
Heizkreissteuerung, auch vermeintlich banale Dinge wie kurz gründlich lüften
statt über Stunden die Fenster kippen. Vor kurzem haben wir das Betanken mit
einer unserer Tankkarten klimaneutral gestellt. Ein kleines Projekt, klar, das
wir aber dank direkter und unkomplizierter Abstimmung mit der Geschäftsleitung
an einem Tag entschieden und auf den Weg gebracht haben. Auch Aktionen wie das Happy
Gardening bei CHIRON China sind »sustainable«, sie verbessern den
ökologischen Fußabdruck und machen zudem den Mitarbeitern ihre Verantwortung
für das Klima, für die Umwelt bewusst.
Der Ansatz, den die CHIRON Group verfolgt, ist also ein
langfristiger?
Natürlich, wie bei allem, was
wir tun. Es geht um einen Prozess des Wandels. Analyse, Strategie, Umsetzung.
Klingt nicht besonders spannend, ist aber für uns der richtige Weg. Wir erfahren täglich, dass hinter einem
grünen Etikett nicht zwingend ein grüner Inhalt steckt. Daher folgt
unser Engagement für Nachhaltigkeit dem üblichen, bei CHIRON und heute bei der
CHIRON Group bewährten Procedere: Erst bringen wir unsere Kompetenzen ein,
gestalten überzeugende Ergebnisse, dann sprechen wir darüber. Zum Beispiel in
unserem ersten, für 2022 geplanten Nachhaltigkeitsbericht.
Mehr
über Nachhaltigkeit bei den Produkten und Leistungen der CHIRON Group lesen Sie
im speedfactor
01/2021.
»Nachhaltigkeit ist eines der wichtigsten Themen unserer Zeit. Oft wird behauptet, dauerhaftes Wirtschaftswachstum sei mit Nachhaltigkeit unvereinbar. Auf den ersten Blick erscheint das plausibel, weil Wachstum bisher oft mit Umweltzerstörung einherging. Tatsächlich sind Wirtschaftswachstum und Nachhaltigkeit jedoch keine Gegensätze, sondern zwei Seiten einer Medaille. Wirtschaftswachstum wird letztlich nicht vom Verbrauch natürlicher Ressourcen getrieben, sondern vom technischen und wissenschaftlichen Fortschritt. Menschliche Kreativität ist glücklicherweise nicht beschränkt. Innovationen erlauben uns, wachsenden Wohlstand bei sinkender Beanspruchung natürlicher Ressourcen zu erreichen. Das geschieht allerdings nicht von selbst.«
Clemens Fuest
Präsident des ifo Instituts (Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München e. V.)