Die beste Lösung liefern

Ende Juli ging die Meldung durch die Presse und Fachmedien – für die Zukunftssicherung der CHIRON Group sind weitreichende Schritte angekündigt und es wird mit den Plänen zur Neuausrichtung der Unternehmensgruppe auch bei STAMA am Stammsitz in Schlierbach Veränderungen geben. Ein Gespräch mit dem neuen Geschäftsführer Gerhard Ulmer zur aktuellen Lage, zu den vor ihm liegenden Aufgaben und zur Zukunft von STAMA.

(Es ist Anfang September als wir Gerhard Ulmer in seinem Büro im zweiten Stock bei STAMA in Schlierbach treffen. Der Ende 2018 schon spürbare Strukturwandel in der Automobilbranche und die seit März 2020 alles beherrschende Corona-Situation stellen eine ganze Branche vor eine der wohl schwierigsten Herausforderungen der letzten Zeit. So auch die STAMA Maschinenfabrik in ihrem 82-sten Jahr.)

Corona ist überall, viele Urlaubsziele waren und sind immer noch Risikogebiete. Wo hat die Familie Ulmer dieses Jahr ihren Urlaub verbracht?

Wir gehen seit einigen Jahren eine Woche an die See und eine Woche in die Berge. Deshalb war es für uns wegen Corona keine große Umstellung.

Im Urlaub lieber ausschlafen oder um 07:00 Uhr bereits beim Joggen?

Ausschlafen funktioniert bei mir im Urlaub nicht wirklich, mein innerer Rhythmus lässt sich da nicht so einfach umstellen. Die aktive Zeit wird im Urlaub halt für andere Dinge genutzt. Handwerkliche Arbeiten ums Haus und viel Lesen. Leider nicht unbedingt für den Sport – der kommt auch im Urlaub zu kurz.

In den 14 Jahren, in denen Sie den Verkauf bei STAMA geleitet haben – wie gut ist Ihnen im Alltag die Trennung von privat und Business gelungen?

In diesem Job ist es kaum möglich privat und Geschäft klar zu trennen. Ich habe mir Regeln auferlegt, beispielsweise nur abends E-Mails lesen oder telefonische Rückrufe nach definierten Strukturen. Aber so ganz draußen bin ich eigentlich nie.

Eine praktische Frage: Wenn das Leasing Ihres Firmenwagens ausläuft – würden Sie sich für ein E-Auto entscheiden?

Ein reines E-Auto wäre in meinem Vielfahrerjob mit erheblicher Organisation verbunden. Die benötigten »Ladeslots« sind limitiert und zeitlich gebunden. Da muss entsprechend vorgeplant werden. Einen Full-Hybrid könnte ich mir hingegen als Zwischenlösung vorstellen. Aktuell fahre ich einen Mild-Hybrid in Kombination mit einem Dieselmotor.

Nach dem Dieselmotor steht jetzt auch der Ottomotor im Manipulationsverdacht. Stichwort Audi Q5 TFSI 2.0: Lenkeinschlag verändert Abgaswert. Wie viel Zukunft hat der Verbrenner noch?

Das ist, bedenkt man alle klimatechnischen Aspekte und industriepolitischen Abwägungen, nicht die bestimmende Frage. Wir haben eine Situation in der verschiedene Antriebsarten miteinander konkurrieren. Die Mobilität ist mitten in einem Wandel. Mit der Entwicklung in Richtung Wasserstoff als Brennstoff und synthetischen E-Fuels kann uns der Verbrenner auf längere Sicht durchaus erhalten bleiben. Wie die individuelle Mobilität in 10 Jahren aussieht, das wird davon abhängen, welches der aktuell angebotenen Mobilitätskonzepte sich in Zukunft durchsetzen wird. Das können durchaus auch verschiedene Konzepte parallel sein. Neben der Wirtschaftlichkeit zählt heute eine umwelt- bzw. ressourcenschonende und nachhaltige Nutzung. Für uns Maschinenbauer bedeutet diese Marktsituation, dass die Produktion flexibel aufgestellt werden muss, um sich erfolgreich an kommende Aufgaben anpassen zu können.

Weltweit wurden im Jahr 2019 laut VDA annähernd 80 Mio. PKW gebaut. Das sind gut 5 Mio. weniger als 2018. In Deutschland sind die Produktionszahlen von 2017 bis 2019 um 16% zurückgegangen. In welchem Ausmaß ist STAMA von dieser Entwicklung betroffen – immerhin macht das Automotive-Geschäft gut zwei Drittel des Umsatzes aus.

In Antriebsstrang und Powertrain ist STAMA mit zwei Kernkompetenzen vertreten: der Einspritztechnologie und dem Turbolader. Zusätzlich haben wir Applikationen in den Bereichen Fahrwerk, Lenkung und Bremse auf dem Markt. Mit dem Wandel in der Mobilität werden sich viele Teile in der Produktion ändern. Wir brauchen neue Lösungen! Prozesse, die wir heute noch nicht kennen! Weiterhin wird sich der Markt in Richtung Asien verschieben. Bestes Beispiel ist nach wie vor China; wo die Produktionszahlen steigen, wo Wachstumschancen besser eingestuft werden – da wird eben auch der Wettbewerb um die beste Lösung schärfer. Um auch zukünftig erfolgreich zu sein, gilt: Flexibel einsetzbare Maschinen bauen – Stichworte Rüstzeiten reduzieren, Verfügbarkeit (OEE) verbessern – und den Vertrieb international auf Top-Niveau halten. Und das wird uns gemeinsam gelingen.

Ein starkes Marktsegment von STAMA mit gut 15% Anteil sind die Werkzeughersteller. Bei sehr vielen Herstellern ist MT-Technologie von STAMA im Einsatz. Wie sehen Sie hier die weitere Entwicklung?

Durchaus positiv. Das, was wir die letzten 20 Jahre in diesem Segment an Know-how und Erfahrung aufgebaut haben, lässt sich sehr gut auf alle Branchen übertragen. Mit der MT 733-Baureihe gelingt uns das. Komplettbearbeitung ist mit Sicherheit eine Schlüsseltechnologie für die anstehenden Änderungen in den Produktionen weltweit. Weil sie wie keine andere beides kombinieren kann: Nämlich hohe Flexibilität und hohe Produktivität.

STAMA ist seit den 1980ern für seine hochproduktiven TWIN-Maschinen bekannt. Spielen sie im aktuellen und zukünftigen Produktprogramm eine entscheidende Rolle, etwa um neue Märkte zu erschließen?

Ja, das tun sie. Wie Sie schon sagen: STAMA ist mit der doppelspindligen Bearbeitung für die hochproduktive Serienfertigung groß geworden. Wir sehen branchenübergreifend auch weiteres Potenzial. 2003 haben wir in der 8er-Serie TWIN und MT kombiniert. Die Kombination der Vorzüge von Mehrspindligkeit, 5-Achs-Technologie und voller Fräs-Dreh-Funktion ist das, was unsere Kunden bei STAMA schätzen und auch in Zukunft finden werden. Mit der Erfahrung und dem Wissen, auf individuelle Anforderungen hin hohe Produktivität und hohe Flexibilität perfekt kombinieren zu können, sind wir ganz vorne mit dabei.

In Ihrem Marketing bezeichnen Sie STAMA als »die Turnkey Factory«. Bitte eine kurze Erklärung, was man darunter eigentlich verstehen soll.

Turnkey ist der Markenkern von STAMA. Heute liefern wir bei 90% aller Maschinen das komplette Technologiepaket für den Kunden mit. Wir suchen für ihn die beste Lösung und wählen aus unserem Produktprogramm die geeignete Maschine aus. Das Ziel ist: Werkstücke in der geforderten Menge und Qualität bearbeiten und dabei die besten Stückkosten erzielen. Das macht uns vom reinen Maschinenhersteller zur Turnkey Factory. Diesen Spirit lebt STAMA.

Ein Teil der Umstrukturierungsmaßnahmen in der CHIRON Group betrifft STAMA mit der Verlagerung der Fertigung und Montage von Schlierbach an die Standorte Neuhausen ob Eck und Tuttlingen – was können Sie uns zu dieser Entscheidung sagen?

Die Entscheidung ist im ersten Moment für alle Betroffenen sicherlich schwer zu verstehen, überhaupt zu begreifen gewesen. Aber wie bereits in den Pressemitteilungen zu lesen war, hat STAMA, hat die CHIRON Group, die ganze Branche, mit signifikanten Auftragseingangsrückgängen zu kämpfen. Mit den entsprechenden Konsequenzen, die jetzt eben auch STAMA treffen. Es wird immer wichtiger, die Maschinen auch dort herzustellen, wo sie eingesetzt werden. In unserem Zielmarkt China entstand deshalb das neue Werk der CHIRON Group in Taicang, das nach modernsten Methoden und Technologie konzipiert ist. Für unseren gesamteuropäischen Markt steht dafür das neue Werk in Neuhausen ob Eck. Sich einen Wettbewerbsvorteil zu erarbeiten, indem man seine Maschinen kostenoptimiert, mit einem hohen Digitalisierungsgrad montiert, ist Teil der strategischen Ausrichtung in der CHIRON Group. Nach 33 Jahren bei STAMA und aus den Krisen 1993 oder 2008/2009 habe ich gelernt: Es ist bestimmt nicht leicht und es dauert vermutlich einige Jahre, bis wir uns wieder auf ein wirtschaftliches hohes Niveau gearbeitet haben. Aber, um aus der Krisensituation heraus wieder dorthin zu kommen, ist neben neuen innovativen Produkten auch entscheidend, dass wir strukturell und organisatorisch flexibel bleiben. Auch das wird STAMA meistern.

Der Service hat einen großen Beitrag am Gesamtumsatz und wird wie der Verkauf seine Basis in Schlierbach behalten. Damit bleiben beide »Point of Sales« am gleichen Ort konzentriert?

Ja! Weil es am Ende des Tages um die Zufriedenheit des Kunden geht. Dazu ist es wichtig, dass Vertrieb und Service eng verzahnt sind und bleiben. Sowohl vom »Mindset« als auch örtlich. Das Know-how unserer Turnkey Factory, sprich das Engineering, die Marktkenntnisse und die Lösungs-Kreativität bleiben in Schlierbach konzentriert.

Als neuer Geschäftsführer von STAMA, Herr Ulmer, worin sehen Sie in der nächsten Zeit Ihre dringlichste und wichtigste Aufgabe?

In Neuhausen ob Eck haben wir technisch und personell die besten Voraussetzungen, die bewährte Qualität der Maschinen zu liefern. Logistisch und organisatorisch ist das bestimmt kein Selbstläufer, aber alle Bereichsleiter bei STAMA und CHIRON sind da entsprechend vorbereitet. Neben der Steuerung dieses Verlagerungsprozesses sehe ich eine weitere ebenso wichtige Aufgabe darin, den STAMA Sprit auf die Straße zu bringen. Eine Marke lebt von ihren Produkten, aber noch viel mehr aus der Überzeugung der Mitarbeiter in ihre Produkte. Es gilt, alle Mitarbeiter der CHIRON Group darauf einzustimmen und zu motivieren, damit unsere Kunden, unsere Technologiepartner und unsere Zulieferer das uns entgegengebrachte Vertrauen auch weiterhin bestätigt bekommen.

Und schließlich noch eine persönliche Frage: Ist im Leben alles planbar oder passiert es auch einfach?

Ich finde es gut und wichtig, einen Plan zu haben. Wenn ich einen Plan habe, habe ich auch ein Ziel! Und wenn Dinge passieren, die nicht in deinem Einflussbereich liegen, dann ändert sich halt gegebenenfalls der Plan. Jeder, der Familie und Kinder hat, kennt diese permanente Anpassung an neue Situationen. Letztlich ist es aber eine Einstellungssache. Und die ist bei mir immer eher positiv. (Die letzte Antwort ging mit einem Lächeln über die Lippen.)