(Es ist Anfang
September als wir Gerhard Ulmer in seinem Büro im zweiten Stock bei STAMA in
Schlierbach treffen. Der Ende 2018 schon spürbare Strukturwandel in der
Automobilbranche und die seit März 2020 alles beherrschende Corona-Situation stellen
eine ganze Branche vor eine der wohl schwierigsten Herausforderungen der
letzten Zeit. So auch die STAMA Maschinenfabrik in ihrem 82-sten Jahr.)
Corona
ist überall, viele Urlaubsziele waren und sind immer noch Risikogebiete. Wo hat
die Familie Ulmer dieses Jahr ihren Urlaub verbracht?
Wir gehen seit einigen Jahren eine Woche an die
See und eine Woche in die Berge. Deshalb war es für uns wegen Corona keine
große Umstellung.
Im
Urlaub lieber ausschlafen oder um 07:00 Uhr bereits beim Joggen?
Ausschlafen funktioniert bei mir im Urlaub
nicht wirklich, mein innerer Rhythmus lässt sich da nicht so einfach umstellen.
Die aktive Zeit wird im Urlaub halt für andere Dinge genutzt. Handwerkliche
Arbeiten ums Haus und viel Lesen. Leider nicht unbedingt für den Sport – der kommt
auch im Urlaub zu kurz.
In den
14 Jahren, in denen Sie den Verkauf bei STAMA geleitet haben – wie gut ist
Ihnen im Alltag die Trennung von privat und Business gelungen?
In diesem Job ist es kaum möglich privat und
Geschäft klar zu trennen. Ich habe mir Regeln auferlegt, beispielsweise nur
abends E-Mails lesen oder telefonische Rückrufe nach definierten Strukturen.
Aber so ganz draußen bin ich eigentlich nie.
Eine
praktische Frage: Wenn das Leasing Ihres Firmenwagens ausläuft – würden Sie
sich für ein E-Auto entscheiden?
Ein reines E-Auto wäre in meinem Vielfahrerjob
mit erheblicher Organisation verbunden. Die benötigten »Ladeslots« sind limitiert
und zeitlich gebunden. Da muss entsprechend vorgeplant werden. Einen
Full-Hybrid könnte ich mir hingegen als Zwischenlösung vorstellen. Aktuell
fahre ich einen Mild-Hybrid in Kombination mit einem Dieselmotor.
Nach dem
Dieselmotor steht jetzt auch der Ottomotor im Manipulationsverdacht. Stichwort
Audi Q5 TFSI 2.0: Lenkeinschlag verändert Abgaswert. Wie viel Zukunft hat der
Verbrenner noch?
Das ist, bedenkt man alle klimatechnischen
Aspekte und industriepolitischen Abwägungen, nicht die bestimmende Frage. Wir
haben eine Situation in der verschiedene Antriebsarten miteinander konkurrieren.
Die Mobilität ist mitten in einem Wandel. Mit der Entwicklung in Richtung Wasserstoff
als Brennstoff und synthetischen E-Fuels kann uns der Verbrenner auf längere Sicht
durchaus erhalten bleiben. Wie die individuelle Mobilität in 10 Jahren
aussieht, das wird davon abhängen, welches der aktuell angebotenen Mobilitätskonzepte
sich in Zukunft durchsetzen wird. Das können durchaus auch verschiedene
Konzepte parallel sein. Neben der Wirtschaftlichkeit zählt heute eine umwelt-
bzw. ressourcenschonende und nachhaltige Nutzung. Für uns Maschinenbauer bedeutet diese
Marktsituation, dass die Produktion flexibel aufgestellt werden muss, um sich
erfolgreich an kommende Aufgaben anpassen zu können.
Weltweit
wurden im Jahr 2019 laut VDA annähernd 80 Mio. PKW gebaut. Das sind gut 5 Mio.
weniger als 2018. In Deutschland sind die Produktionszahlen von 2017 bis 2019 um
16% zurückgegangen. In welchem Ausmaß ist STAMA von dieser Entwicklung
betroffen – immerhin macht das Automotive-Geschäft gut zwei Drittel des
Umsatzes aus.
In Antriebsstrang und Powertrain ist STAMA mit
zwei Kernkompetenzen vertreten: der Einspritztechnologie und dem Turbolader. Zusätzlich
haben wir Applikationen in den Bereichen Fahrwerk, Lenkung und Bremse auf dem
Markt. Mit dem Wandel in der Mobilität werden sich
viele Teile in der Produktion ändern. Wir brauchen neue Lösungen! Prozesse, die
wir heute noch nicht kennen! Weiterhin wird sich der Markt in Richtung Asien
verschieben. Bestes Beispiel ist nach wie vor China; wo die Produktionszahlen
steigen, wo Wachstumschancen besser eingestuft werden – da wird eben auch der Wettbewerb
um die beste Lösung schärfer. Um auch zukünftig erfolgreich zu sein, gilt: Flexibel einsetzbare Maschinen bauen –
Stichworte Rüstzeiten reduzieren, Verfügbarkeit (OEE) verbessern – und den
Vertrieb international auf Top-Niveau halten. Und das wird uns gemeinsam
gelingen.
Ein
starkes Marktsegment von STAMA mit gut 15% Anteil sind die Werkzeughersteller. Bei
sehr vielen Herstellern ist MT-Technologie von STAMA im Einsatz. Wie sehen Sie
hier die weitere Entwicklung?
Durchaus positiv. Das, was wir die letzten 20
Jahre in diesem Segment an Know-how und Erfahrung aufgebaut haben, lässt sich sehr
gut auf alle Branchen übertragen. Mit der MT 733-Baureihe gelingt uns das. Komplettbearbeitung
ist mit Sicherheit eine Schlüsseltechnologie für die anstehenden Änderungen in
den Produktionen weltweit. Weil sie wie keine andere beides kombinieren kann:
Nämlich hohe Flexibilität und hohe Produktivität.
STAMA
ist seit den 1980ern für seine hochproduktiven TWIN-Maschinen bekannt. Spielen sie
im aktuellen und zukünftigen Produktprogramm eine entscheidende Rolle, etwa um neue
Märkte zu erschließen?
Ja, das tun sie. Wie Sie schon sagen: STAMA ist
mit der doppelspindligen Bearbeitung für die hochproduktive Serienfertigung
groß geworden. Wir sehen branchenübergreifend auch weiteres Potenzial. 2003 haben wir in der 8er-Serie TWIN und MT
kombiniert. Die Kombination der Vorzüge von Mehrspindligkeit, 5-Achs-Technologie
und voller Fräs-Dreh-Funktion ist das, was unsere Kunden bei STAMA schätzen und
auch in Zukunft finden werden. Mit der Erfahrung und dem Wissen, auf individuelle
Anforderungen hin hohe Produktivität und hohe Flexibilität perfekt kombinieren zu
können, sind wir ganz vorne mit dabei.
In Ihrem
Marketing bezeichnen Sie STAMA als »die Turnkey Factory«. Bitte eine kurze Erklärung, was man darunter eigentlich verstehen
soll.
Turnkey ist der Markenkern von STAMA. Heute
liefern wir bei 90% aller Maschinen das komplette Technologiepaket für den
Kunden mit. Wir suchen für ihn die beste Lösung und wählen aus unserem Produktprogramm
die geeignete Maschine aus. Das Ziel ist: Werkstücke in der geforderten Menge
und Qualität bearbeiten und dabei die besten Stückkosten erzielen. Das macht
uns vom reinen Maschinenhersteller zur Turnkey Factory. Diesen Spirit lebt STAMA.
Ein Teil
der Umstrukturierungsmaßnahmen in der CHIRON Group betrifft STAMA mit der
Verlagerung der Fertigung und Montage von Schlierbach an die Standorte
Neuhausen ob Eck und Tuttlingen – was können Sie uns zu dieser Entscheidung
sagen?
Die Entscheidung ist im ersten Moment für alle
Betroffenen sicherlich schwer zu verstehen, überhaupt zu begreifen gewesen. Aber
wie bereits in den Pressemitteilungen zu lesen war, hat STAMA, hat die CHIRON
Group, die ganze Branche, mit signifikanten Auftragseingangsrückgängen zu kämpfen.
Mit den entsprechenden Konsequenzen, die jetzt eben auch STAMA treffen. Es wird
immer wichtiger, die Maschinen auch dort herzustellen, wo sie eingesetzt
werden. In unserem Zielmarkt China entstand deshalb das neue Werk der CHIRON
Group in Taicang, das nach modernsten Methoden und Technologie konzipiert ist. Für
unseren gesamteuropäischen Markt steht dafür das neue Werk in Neuhausen ob Eck.
Sich einen Wettbewerbsvorteil zu erarbeiten, indem man seine Maschinen
kostenoptimiert, mit einem hohen Digitalisierungsgrad montiert, ist Teil der strategischen
Ausrichtung in der CHIRON Group. Nach 33 Jahren bei STAMA und aus den Krisen 1993
oder 2008/2009 habe ich gelernt: Es ist bestimmt nicht leicht und es dauert
vermutlich einige Jahre, bis wir uns wieder auf ein wirtschaftliches hohes
Niveau gearbeitet haben. Aber, um aus der Krisensituation heraus wieder dorthin
zu kommen, ist neben neuen innovativen Produkten auch entscheidend, dass wir strukturell
und organisatorisch flexibel bleiben. Auch das wird STAMA meistern.
Der
Service hat einen großen Beitrag am Gesamtumsatz und wird wie der Verkauf seine
Basis in Schlierbach behalten. Damit bleiben beide »Point of Sales« am gleichen Ort konzentriert?
Ja! Weil es am Ende des Tages um die
Zufriedenheit des Kunden geht. Dazu ist es wichtig, dass Vertrieb und Service
eng verzahnt sind und bleiben. Sowohl vom »Mindset« als auch örtlich. Das Know-how unserer Turnkey
Factory, sprich das Engineering, die Marktkenntnisse und die
Lösungs-Kreativität bleiben in Schlierbach konzentriert.
Als
neuer Geschäftsführer von STAMA, Herr Ulmer, worin sehen Sie in der nächsten
Zeit Ihre dringlichste und wichtigste Aufgabe?
In Neuhausen ob Eck haben wir technisch und
personell die besten Voraussetzungen, die bewährte Qualität der Maschinen zu
liefern. Logistisch und organisatorisch ist das bestimmt kein Selbstläufer,
aber alle Bereichsleiter bei STAMA und CHIRON sind da entsprechend vorbereitet.
Neben der Steuerung dieses Verlagerungsprozesses sehe ich eine weitere ebenso
wichtige Aufgabe darin, den STAMA Sprit auf die Straße zu bringen. Eine Marke
lebt von ihren Produkten, aber noch viel mehr aus der Überzeugung der
Mitarbeiter in ihre Produkte. Es gilt, alle Mitarbeiter der CHIRON Group darauf
einzustimmen und zu motivieren, damit unsere Kunden, unsere Technologiepartner
und unsere Zulieferer das uns entgegengebrachte Vertrauen auch weiterhin bestätigt
bekommen.
Und
schließlich noch eine persönliche Frage: Ist im Leben alles planbar oder
passiert es auch einfach?
Ich finde es gut und wichtig, einen Plan zu
haben. Wenn ich einen Plan habe, habe ich auch ein Ziel! Und wenn Dinge
passieren, die nicht in deinem Einflussbereich liegen, dann ändert sich halt
gegebenenfalls der Plan. Jeder, der Familie und Kinder hat, kennt diese
permanente Anpassung an neue Situationen. Letztlich ist es aber eine
Einstellungssache. Und die ist bei mir immer eher positiv. (Die letzte Antwort
ging mit einem Lächeln über die Lippen.)